Das verschwundene Kind
Vincents Telefon klingelte, während sie noch sprachen. Sarah, seine Schwiegertochter, klang panisch. Emily war verschwunden. Sie hatte eine weitere Nachtschicht gehabt, Vincent war nicht erreichbar gewesen. Die Sechsjährige hatte eine Nachricht hinterlassen: Sie wollte Opa im Cascade besuchen.
Die Fahrt zum Casino verging in angespannter Stille. Vincent kontaktierte die Sicherheit. Ja, Emily war gestern Abend gekommen. Man hatte sie in Vincents Büro gebracht, ihr etwas zu essen und zu trinken gegeben. Niemand hatte gewusst, dass Vincent nicht im Haus war.
Die Überwachungsaufnahmen zeigten die verstörende Wahrheit. Emily verließ Vincents Büro mit einer weißen Keycard in der kleinen Hand. Sie ging den Flur entlang zu einer Tür, die Vincent in all seinen Jahren im Cascade nie bewusst wahrgenommen hatte. Dann verschwand sie dahinter.
"Diese Tür," sagte Ben leise. "Die sieht aus wie in meinem... Traum."
Sie fanden die Tür auf demselben Stockwerk wie Vincents Büro, unscheinbar, ohne Beschriftung. Vincent benutzte seine weiße Keycard - er und Ben hatten zwei davon in den Jacketts der Toten gefunden. Die Tür öffnete sich lautlos.
Der Gang dahinter war schmucklos, funktional. Happy untersuchte den Boden mit der Präzision eines Spurensuchers. "Hier," sagte er und hob eine kleine rosa Haarspange auf. "Emilys?"
Vincent nickte stumm.
Am Ende des Ganges wartete der Aufzug. Ben erstarrte. "Das ist er. Genau wie in meinem Traum."
Der Aufzug war modern, aber seltsam. Die Knöpfe zeigten alle bekannten Stockwerke des Cascade, aber da war noch einer: -3. Das Casino hatte offiziell nur zwei Untergeschosse.
"Sie ist nach unten gefahren," sagte Vincent. Es war keine Frage.
Die Fahrt schien endlos. Ben hatte recht gehabt - es dauerte viel länger, als es physikalisch hätte dauern dürfen. Happy zählte leise die Sekunden, verlor aber irgendwann den Faden. Die Anzeige zeigte keine Zwischenstopps, nur ein stetiges Sinken ins Unbekannte.